In meinem Berufsalltag als Psychotherapeut stehen nicht nur die Schicksale meiner Patienten im Vordergrund, sondern auch die komplexen Interaktionen, Beziehungen und Konflikte, die ihr Leben prägen und gerade im „System Familie“ oft zum Tragen kommen. Familienmitglieder befinden sich in einem konstanten Konflikt- und Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach Autonomie und Verbundenheit. Konflikte entstehen oft durch ein Zusammenspiel aus emotionalen Faktoren wie Eifersucht, Enttäuschung und Ärger einerseits sowie andererseits Umstände und Ereignisse wie ungleiche Behandlung, Abhängigkeiten sowie unklare Rechte und Pflichten.
Familien können also schon von sich aus kompliziert genug sein, weshalb Familienunternehmen vor besonderen Herausforderungen stehen. Diese bestehen gleichzeitig aus verschiedenen Subsystemen (u.a. Familie & Unternehmerfamiliensystem), die sich nur zum Teil überlappen und oft auch widersprüchliche Interessen haben (v. Schlippe). Während im Familiensystem vor allem das Bindungs- Zugehörigkeitsbedürfnis zentral ist, fokussiert das Unternehmerfamiliensystem auf den Fortbestand und den Erfolg des Unternehmens. Die Qualität der Verbindung der einzelnen (familiären) Mitglieder ist, wenn überhaupt, sekundär relevant. Die Gleichzeitigkeit dieser beiden System und z.T. widersprüchlichen Rollenerwartungen führt immer wieder zu Konflikten.
Besonders häufig treten diese bei Nachfolgen in Familienunternehmen auf: So ist es sehr problematisch, wenn Eltern aufgrund ihrer übergeordneten Werte wie Liebe und Gerechtigkeit, die in den Familiensystemen eine zentrale Rolle spielen, mehre Kinder in die Geschäftsführung berufen und / oder gleiche Anteile am Unternehmen übertragen, ohne unterschiedliche Talente, Fähigkeiten und Interessen der Beteiligten und auch die Erfordernisse des Unternehmens zu berücksichtigen. Andersherum kann auch ein reiner Fokus auf die unternehmerische Eignung zu Konflikten und Enttäuschung in der Familie führen. Für die Eltern-Generation ist das „Loslassen“, die Verantwortung vertrauensvoll zu übertragen, eine Herausforderung, die mit Ängsten vor dem eigenen Bedeutungsverlust und Identität einhergehen kann.
Auswege sind hier vor allem über eine verbesserte Kommunikation und eine Bewusstwerdung der zwei gleichzeitig präsenten Kontexte und Rollenerwartungen (Bateson, 1981) möglich. Zukunftsentscheidungen und Fragestellungen sollten immer sowohl aus der Sicht des Unternehmens als auch der Familienperspektive besprochen werden. Von Schlippe beschreibt dieses Kommunikationsparadigma anschaulich als die „Doppelte Familie“.
Das Berücksichtigen dieser beiden Kontexte gelingt erfahrungsgemäß besser durch eine neutrale, professionelle Person und oder Institution aus dem Außen.
Ein Beitrag von:
M.Sc. Psych. Markus C. Hasebrink
Psychologischer Psychotherapeut (VT)